Neulich las ich in einem Buch:
"Und dann rief eines schönen Tages plötzlich Marco an und sagte: >>Hier ist die Zukunft. Ich habe ein Handy.<< (...)
Inzwischen haben alle gelernt, dass es im Handy-Zeitalter vier natürliche Feindes des natürlichen Gesprächs gibt, nämlich die Sätze:
1. >>Du, ich glaube, ich bin gleich in einem Funkloch.<<
2. >>Du, sorry, aber mein Akku ist gleich leer.<<
3. >>Du, ich muss das Handy weglegen, hier steht Polizei.<< und
4. >>Ich rufe dich einfach noch mal von unterwegs an.<<
Relativ bald ist uns allen klar geworden, dass das Handy als Kommunikationsmittel kaum taugt. Doch es dient zu etwas viel Besserem, es vermittelt uns das gute Gefühl, nicht allein zu sein. Es ist Weltempfänger, der einen jeden Morgen, wenn man den Pin-Code richtig eingetippt hat, mit >>Code angenommen<< in die Gemeinschaft der Lebenden aufnimmt und auf den man sich, man muss es nur wollen, jede Woche den neuesten Nummer-1-Hit als Klingelton laden kann. Wir können noch so mobil sein, heute hier, morgen da, das Handy ist immer dabei, vorausgesetzt wir haben die Akkuladestation nicht vergessen. (...)
Warum eigentlich können wir das Handy nicht einfach zu Hause liegen lassen? Vielleicht weil wir dann nichts mehr hätten, womit wir uns den Tag über beschäftigen könnten. Dafür nimmt man offenbar auch gerne in Kauf, keine Freiheiten mehr zu haben. Man ist überall und immer erreichbar, selbst wenn man in Asien oder auf Gran Canaria am Strand leigt, sind SMS aus dem Büro in Frankfurt in vier Sekunden da. (...) Erreichte man früher manchmal jemanden viele Tage nicht, so ist es heute schon ein Grund zur VErärgerung, wenn nicht innerhalb von zwei Stunden zurückgerufen wird. So ist man eigentlich ständig damit beschäftigt, irgendwen zurückzurufen.
Doch leider hat man ja nicht mehr Zeit als früher, sieht man mal von der Zeit ab, die man jetzt spart, weil man sich Apfelschorle nicht mehr selbst mischen muss, sondern immer schon fertig im Supermarkt kaufen kann. Durch die wahnsinnige BEschleunigung der Abläufe hat man nun viel mehr zu tun, und alles dauert irgendwie viel länger. Wahrscheinlich nennt man das technischen Fortschritt. (...) Das Handy ist zu einer Fastfood-Telefon geworden. Wie ein Imbiss, den man im Gehen isst und dessen Reste man notfalls in den Mülleimer werfen kann, wenn man in die Straßenbahn springen muss. Die unverbindlichkeit des Handys ist verführerisch, die Möglichkeit zur Dauerkommunikation trügerisch: Sagen jedenfalls tut man so gut wie nichts. So kann man etwa aus Langeweile an einen Freund eine SMS schicken, wenn man beim Zahnarzt im Wartezimmer sitzt. Doch wenn er dann gleich zurückruft, ist man total erschrocken und will nicht drangehen, weil man ja eigentlich gar keine Zeit hat. Andererseits weiß man, dass der andere weiß, dass man da ist, schließlich hat man gerade eine Sekunde vorher eine SMS geschickt. Drum geht man also dran und sagt:>>Ich rufe dich nachher zurück, ich kann gerade nicht.<<
Die goldenen Regeln der Telekommunikation lauten:
Auf SMS darf man nur mit SMS antworten, auf E-Mails mit E-Mails und allein auf Anrufe mit Anrufen. Alles andere sorgt für große Verwirrung und sollte dringend vermieden werden. (...) Das Handy ist also Teil einer Verhaltenstherapie, die nicht die Kommunikation mit anderen erleichtern, sondern verhindern soll. Nur bei Anrufen auf dem Handy hat man das Recht, das Gespräch noch im ersten Satz abzuwürgen, man sei gerade unterwegs, am Steuer, im Gespräch, im Meeting, in der Bahn. Zugleich lässt sich per SMS so wunderbar absagen, einhundertsechzig Zeichen lang kann man >>leider nicht<< und >>sorry<< wimmern, um sich so erfolgreich um ein langes Erklärtelefonat zu drücken.
Das Handy kann aber auch ein noch fatalerer Kommunikationshemmer sein: dann nämlich, wenn der eine, misstrauisch geworden, die Kurzmitteilungen des anderen checkt und so merkt, dass da noch ein Dritte rim Spiel ist. (...) >>Das Handy ist zum Instrument der Kälte in unseren sozialen Beziehungen geworden.<< (...) SMS aber kann (...) auch ein Instrument der Wärme in unseren sozialen Beziehungen sein. (...) Und zum Thema Wärme gehört auch, dass es einem manchmal heiß durchläuft, weil man in der Sekunde des Absendens zu unkonzentriert war. Hat man das zärtliche Wort am Ende doch nicht an die geschickt, an die es gehen soll, sondern an den missgünstigen Kollegen mit demselben Anfangsbuchstaben? Welche Angst, sich im Wort vergriffen zu haben, wenn man nach zehn Minuten noch keine Antwort hat. Welche Erleichterung, wenn sie dann doch kommt, das hellgrüne Display zu blinken beginnt und man beruhigt lesen darf >>1 Kurzmitteilung eingegangen<<."
Ich habe selten so gelacht und ein, mittlerweile, absolutes Alltagsphänomen so genau beschrieben gelesen ;)
Jeder kennt es, jeder nutzt es, jeder will immer mehr.
Gerade in jüngeren Generationen ist es deutlich zu beobachten, dass SMS und Austausch von Daten zum guten Ton gehört, man nicht dazugehört, wenn man nicht mitzieht.
Jeder kennt die Vor- und Nachteile der Kommunikation über das Mobiltelefon.
Wer hat nicht schon mal den einfachen Weg der SMS-Absage genutzt oder ein Gespräch künstlich abgewürgt?!
Florian Illies beschreibt in seinem Buch Generation Golf zwei viele Alltagsphänomene und Verhaltensweisen auf sehr anschauliche, bildliche und manchmal auch verklärte oder nostalgische Weise. Dennoch kann ich seine Bücher uneingeschränkt empfehlen.
Daumen hoch! :)
Zitat aus: Florian Illies "Generation Golf zwei", 1. Auflage, Taschenbuchausgabe Mai 2005
"Und dann rief eines schönen Tages plötzlich Marco an und sagte: >>Hier ist die Zukunft. Ich habe ein Handy.<< (...)
Inzwischen haben alle gelernt, dass es im Handy-Zeitalter vier natürliche Feindes des natürlichen Gesprächs gibt, nämlich die Sätze:
1. >>Du, ich glaube, ich bin gleich in einem Funkloch.<<
2. >>Du, sorry, aber mein Akku ist gleich leer.<<
3. >>Du, ich muss das Handy weglegen, hier steht Polizei.<< und
4. >>Ich rufe dich einfach noch mal von unterwegs an.<<
Relativ bald ist uns allen klar geworden, dass das Handy als Kommunikationsmittel kaum taugt. Doch es dient zu etwas viel Besserem, es vermittelt uns das gute Gefühl, nicht allein zu sein. Es ist Weltempfänger, der einen jeden Morgen, wenn man den Pin-Code richtig eingetippt hat, mit >>Code angenommen<< in die Gemeinschaft der Lebenden aufnimmt und auf den man sich, man muss es nur wollen, jede Woche den neuesten Nummer-1-Hit als Klingelton laden kann. Wir können noch so mobil sein, heute hier, morgen da, das Handy ist immer dabei, vorausgesetzt wir haben die Akkuladestation nicht vergessen. (...)
Warum eigentlich können wir das Handy nicht einfach zu Hause liegen lassen? Vielleicht weil wir dann nichts mehr hätten, womit wir uns den Tag über beschäftigen könnten. Dafür nimmt man offenbar auch gerne in Kauf, keine Freiheiten mehr zu haben. Man ist überall und immer erreichbar, selbst wenn man in Asien oder auf Gran Canaria am Strand leigt, sind SMS aus dem Büro in Frankfurt in vier Sekunden da. (...) Erreichte man früher manchmal jemanden viele Tage nicht, so ist es heute schon ein Grund zur VErärgerung, wenn nicht innerhalb von zwei Stunden zurückgerufen wird. So ist man eigentlich ständig damit beschäftigt, irgendwen zurückzurufen.
Doch leider hat man ja nicht mehr Zeit als früher, sieht man mal von der Zeit ab, die man jetzt spart, weil man sich Apfelschorle nicht mehr selbst mischen muss, sondern immer schon fertig im Supermarkt kaufen kann. Durch die wahnsinnige BEschleunigung der Abläufe hat man nun viel mehr zu tun, und alles dauert irgendwie viel länger. Wahrscheinlich nennt man das technischen Fortschritt. (...) Das Handy ist zu einer Fastfood-Telefon geworden. Wie ein Imbiss, den man im Gehen isst und dessen Reste man notfalls in den Mülleimer werfen kann, wenn man in die Straßenbahn springen muss. Die unverbindlichkeit des Handys ist verführerisch, die Möglichkeit zur Dauerkommunikation trügerisch: Sagen jedenfalls tut man so gut wie nichts. So kann man etwa aus Langeweile an einen Freund eine SMS schicken, wenn man beim Zahnarzt im Wartezimmer sitzt. Doch wenn er dann gleich zurückruft, ist man total erschrocken und will nicht drangehen, weil man ja eigentlich gar keine Zeit hat. Andererseits weiß man, dass der andere weiß, dass man da ist, schließlich hat man gerade eine Sekunde vorher eine SMS geschickt. Drum geht man also dran und sagt:>>Ich rufe dich nachher zurück, ich kann gerade nicht.<<
Die goldenen Regeln der Telekommunikation lauten:
Auf SMS darf man nur mit SMS antworten, auf E-Mails mit E-Mails und allein auf Anrufe mit Anrufen. Alles andere sorgt für große Verwirrung und sollte dringend vermieden werden. (...) Das Handy ist also Teil einer Verhaltenstherapie, die nicht die Kommunikation mit anderen erleichtern, sondern verhindern soll. Nur bei Anrufen auf dem Handy hat man das Recht, das Gespräch noch im ersten Satz abzuwürgen, man sei gerade unterwegs, am Steuer, im Gespräch, im Meeting, in der Bahn. Zugleich lässt sich per SMS so wunderbar absagen, einhundertsechzig Zeichen lang kann man >>leider nicht<< und >>sorry<< wimmern, um sich so erfolgreich um ein langes Erklärtelefonat zu drücken.
Das Handy kann aber auch ein noch fatalerer Kommunikationshemmer sein: dann nämlich, wenn der eine, misstrauisch geworden, die Kurzmitteilungen des anderen checkt und so merkt, dass da noch ein Dritte rim Spiel ist. (...) >>Das Handy ist zum Instrument der Kälte in unseren sozialen Beziehungen geworden.<< (...) SMS aber kann (...) auch ein Instrument der Wärme in unseren sozialen Beziehungen sein. (...) Und zum Thema Wärme gehört auch, dass es einem manchmal heiß durchläuft, weil man in der Sekunde des Absendens zu unkonzentriert war. Hat man das zärtliche Wort am Ende doch nicht an die geschickt, an die es gehen soll, sondern an den missgünstigen Kollegen mit demselben Anfangsbuchstaben? Welche Angst, sich im Wort vergriffen zu haben, wenn man nach zehn Minuten noch keine Antwort hat. Welche Erleichterung, wenn sie dann doch kommt, das hellgrüne Display zu blinken beginnt und man beruhigt lesen darf >>1 Kurzmitteilung eingegangen<<."
Ich habe selten so gelacht und ein, mittlerweile, absolutes Alltagsphänomen so genau beschrieben gelesen ;)
Jeder kennt es, jeder nutzt es, jeder will immer mehr.
Gerade in jüngeren Generationen ist es deutlich zu beobachten, dass SMS und Austausch von Daten zum guten Ton gehört, man nicht dazugehört, wenn man nicht mitzieht.
Jeder kennt die Vor- und Nachteile der Kommunikation über das Mobiltelefon.
Wer hat nicht schon mal den einfachen Weg der SMS-Absage genutzt oder ein Gespräch künstlich abgewürgt?!
Florian Illies beschreibt in seinem Buch Generation Golf zwei viele Alltagsphänomene und Verhaltensweisen auf sehr anschauliche, bildliche und manchmal auch verklärte oder nostalgische Weise. Dennoch kann ich seine Bücher uneingeschränkt empfehlen.
Daumen hoch! :)
Zitat aus: Florian Illies "Generation Golf zwei", 1. Auflage, Taschenbuchausgabe Mai 2005
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